Nach chemischen Sachverhalten zu suchen ist zugleich leicht und schwer – leicht, weil chemische Verbindungen eindeutig identifiziert werden können, schwer, weil es den Fundstellen an formaler Konsistenz mangelt:
- Strukturformeln werden oft einfach als – chemisch nicht interpretierbare – Abbildungen dargestellt, nicht in einem der verarbeitbaren Formate wie etwa durch JMol.
- Es gibt fast immer mehr als einen Namen für jede Verbindung, oder ähnliche, aber eben nicht gleiche Schreibweisen, wie im Englischen „aluminium“ und „aluminum“.
- InChI-Schreibweise hat sich nicht breit durchgesetzt – nicht einmal die einfachere SMILES-Notation. Es wäre wirklich praktisch, wenn jede Nennung einer chemischen Verbindung im Web von einem InChI begleitet wäre* – das ist aber leider nicht der Fall.
DIE chemische Suchmaschine gibt es nicht. Auch auf dem Gebiet kostenpflichtiger Fachdatenbanken (von denen hier nicht die Rede seine soll) gibt es für jede Fragestellung eine andere Datenbank, etwa für
- Bezugsquellen
- Toxikologie
- Pharmakologie
- Physikalische Daten
- Organische Synthese usw.
Im folgenden sollen ein paar der gängigsten Suchseiten für chemische Informationen vorgestellt werden:
- Für Lieferquellen- und Herstellerinfos LookChem.com und Chemindustry.com (alibaba.com ist zu generalistisch, obwohl es auch dort viele Chemikalien zu finden gibt)
- Für Toxikologie und Pharmakologie PubChem
- für physikalische Daten das NIST Chemisty Webbook
und im Februar
- die Aggregatoren isciencesearch.com und ChemSpider.com
- und (leider) in der Kategorie „Außer Spesen nichts gewesen“ den selbsterklärten intelligenten Superaggregator Wolfram|Alpha, der zumindest auf dem Gebiet der Chemie enttäuscht.
Alle diese Suchmaschinen werde ich an dem selben Stoff testen, der wegen seiner weiten Verbreitung und vielfältigen Diskussion besonders breite Suchergebnisse liefert, aber speziell genug ist, um nicht zu viel „Rauschen“ bei der Suche zu erzeugen: 4,4′-(Propane-2,2-diyl)diphenol, besser bekannt als Bisphenol A.
Händlersuche
Lookchem, betrieben von der Hangzhou Weiku Information & Technology Co.,Ltd, gibt auf den Suchterm „bisphenol a“ eine Übersichtsseite aus, welche neben einigen physikalischen und sicherheitstechnischen Daten auch eine Liste von Synonymen erzeugt. Dies ist interessant für eine erschöpfendere Suche, wenn man wissen möchte, wie das Produkt in der Welt des Handels sonst noch bezeichnet werden könnte.
Naturgemäß ist die Seite sehr China-lastig, operiert aber weltweit. Man kann nach Ländern filtern, wenn man möchte. Filtern nach „Deutschland“ etwa ergibt fünf Resultate, vier von ihnen sind Händler. Anklicken der Einzelresultate bringt nochmals eine Flut von Informationen. Zum Einstieg in das Sourcen von Chemikalien ist Lookchem sicherlich eine der besten Seiten.
Preise stehen, wie bei Alibaba, nur gelegentlich drin und sind gewöhnlich nicht mal die Pixel wert, aus denen sie bestehen. Das ist aber auf dem Chemikalienmarkt ganz und gar typisch und anderswo nicht besser. Braucht man einen Preis, führt nichts um die Anfrage herum (will man keinen der n * 1.000,- € teuren Marktberichte erwerben, die es für gewisse verbreitete Chemikalien gibt).
Chemindustry ist keine reine Händlerseite, sondern versucht auch andere chemierelevante Ressourcen zu bündeln. Die beinahe 9.000 Suchergebnisse für „bisphenol a“ enthalten auch Links zu käuflichen Marktübersichten, Einträge aus Gefahrstoff- und Arbeitsmedizinischen Datenbanken, Angebote von Herstellern technischer Ausrüstungen (etwa für beständige Werkstoffe) usw. Auf dem Kopf der Seite kann man filtern, welche Art Ergebnis, aus welchem Land, von welcher Art Firma man sehen möchte. Allerdings wissen Sie selbst, wie schlampig und ungenügend Inhalte im Web ausgezeichnet sind – die Filterqualität ist bestenfalls bescheiden, und man muss sich durch allerhand Müll durchkämpfen, ehe man findet, was man sucht.
Für „bisphenol a“ habe ich nach „Germany“ und „academia“ gesucht. Nach einer ganzen Seite gesponsorter Links kommen dann die Gefahrstoffdatenbanken deutscher Universitäten, dazu Links zu Präsentationen, Doktorarbeiten etc. Einschränken auf den Suchbegriff „fertility“ bringt dann noch zwei Ergebnisse – und keines von ihnen zutreffend. Ich bin von dem Portal nicht übermäßig begeistert.
Der Stoff als Wirkstoff
Pubchem, eine Seite der U. S. National Library of Medicine, ist vorrangig medizinisch ausgerichtet. Man betritt das Portal am besten durch die neue Suchseite: Für die Suche nach „Bisphenol A“ habe ich den Menüpunkt Compounds benutzt. Das Suchergebnis hat 168 Elemente, die alle Bisphenol A als Substruktur haben, und Nummer 1 ist das eigentliche, gesuchte Molekül. Die anderen kann man also ignorieren.
Das Resultat enthält eine große Menge Identifikatoren, physikalische Daten, medizinisch Relevantes, aber auch Hersteller, Verwendung, Herstellmethoden u. a. m., alles, wie es sich gehört, mit Quellenangaben versehen. Die Ergebnisse sind nicht immer so umfangreich wie bei diesem Stoff, aber vollständiger als anderswo. PubChem ist mein klarer Favorit für einen ersten Blick. Auch die Patentsuche benutze ich sehr gerne für einen ersten, orientierenden Überblick.
Andere Suchmöglichkeiten betreffen das „Target“, also das Wirkziel im Körper, die Bioaktivität und Untersuchungsmethoden hierfür. Von all dem verstehe ich so wenig, dass ich die Funktionen nicht testen kann. Vielleicht findet sich ja der eine oder andere, der dazu ein paar Worte verlieren könnte?
Physikalische Eigenschaften
Das NIST Chemistry Webbook ist eine ausgezeichnete Quelle, wenn man Angaben zu Spektren oder chemischer Thermodynamik sucht: Zwar muss man erst die Suchmethode wählen, danach dann die Art der gewünschten Ergebnisse, aber die Resultate sind es wert. Sie stammen aus Publikationen, sind tabellarisch zusammengestellt und mit Quellenangabe versehen. Das macht, dass man diese Zahlen überprüfen und auch in wissenschaftlichem Zusammenhang verwenden kann, was z. B. bei Siedepunkten aus chemischen Katalogen nicht der Fall ist: Meist ist dort nicht angegeben, woher sie kommen.
Die relativ schwer zu findenden Henry-Koeffizienten und Antoine-Koeffizienten werden dort ebenfalls angeführt, soweit sie vorhanden sind.
Eine weitere Quelle für solche Daten ist übrigens die Software EPI Suite: Zwar ist diese kostenlos verfügbare Software als Schätzprogramm für Stoffdaten ausgelegt, aber wo Literaturdaten vorhanden sind, werden sie genannt. Die Überlappung mit dem NIST Chemistry Webbook ist allerdings ziemlich groß – schließlich stammen beide Datenquellen ja (beinahe) aus dem selben Stall.
Im Februar werde ich ein paar Aggregatoren vorstellen, d. h. Webseiten, die mehrere andere Quellen mehr oder weniger effektiv bündeln.
* Mein Vorschlag: <META name=“smiles“ content=“CCO;c1=cc=c2c=cc=cc2=c1;CC(C)(C)O“> würde der Suchmaschine verraten, dass auf der Website von Ethanol, Naphthalin und tert.-Butanol die Rede ist. Auch name=“CAS“ oder Ähnliches wäre denkbar – und mehr als mit <META name=CAS“ content=“139755-83-2″> (Sildenafil, a.k.a. Viagra) auf Seiten zum Verkauf irgendwelcher Quacksalbereien könnte nicht herumgespammt werden, oder?
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