Nach einer Statistik des USPTO [1] verdienen nur ca. 3% aller Patente jemals Geld. Wenn niemand das Produkt herstellt, niemand es auf den Markt bringt und niemand es kauft, ist ein Patent nur eine – wenn auch geschützte – Idee.
Da die Zahl der angemeldeten Patente stetig steigt, werden auch die Spielräume, in denen die Claims sich bewegen können, zunehmend enger. Dies bedeutet nicht nur eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, an bereits bestehende Schutzrechte „anzuecken“, sondern dass ein Problem bereits von anderer Seite aus gelöst sein kann und das neue Patent auf einen Markt rechnet, der nicht mehr existiert.
Gerade auf dem Gebiet der Chemie und der Werkstoffwissenschaften ist für Laien schwer einzuschätzen:
- Was erreicht diese Erfindung eigentlich, und welche anderen Erfindungen erreichen bereits etwas Vergleichbares, Austauschbares? Ein neues Verfahren, ein Azeotrop zu brechen, ist kaum noch interessant, wenn ein anderes Verfahren das auf vergleichbar praktische Weise tut. Ein neuer Katalysator mag beeindruckend sein, aber wird er in der Praxis genug Vorteile haben, um die bestehende Technik wenigstens teilweise zu verdrängen?
- Welche Alleinstellungsmerkmale hat die Erfindung, und nur diese Erfindung? Gibt es zu dieser Lösung überhaupt ein Problem?
- In welche Märkte geht die Erfindung letztlich ein, wo wird man die Endprodukte finden?
Die Fragen stellen sich nicht nur, wenn jemand ein Patent direkt verkaufen oder die Technik lizensieren möchte. Noch viel mehr stellt sich der Käufer des Patents diese Fragen, insbesondere dann, wenn der Weg zum Endprodukt noch weit ist.
Die Situation
Ein Investor hatte eine Reihe von chemischen Patenten aufgekauft, mit der Absicht, in die Weiterentwicklung der Verfahren zu investieren, um diese letztlich mit Gewinn weiterzuverkaufen. Im Durchnitt waren 20 Monate an zusätzlicher Entwicklungsarbeit in die Patente eingeflossen, geleistet von den ursprünglichen Erfindern an ihren Hochschulen. Die Patente erwiesen sich jedoch als unverkäuflich, aus verschiedenen Gründen.
Was der Kunde wollte
- Verstehen, warum der Markt die Erfindungen ablehnte.
- Vorschläge, wie die Investition noch zu retten sei: Durch weitere Entwicklungsarbeit, und wenn ja, in welche Richtung? Durch Erstellung eines Prototypen? Durch Vermarkten für eine andere Anwendung?
Was der Kunde nicht wollte
- Die Investition ohne weiteres abschreiben
- Schlechtem Geld gutes hinterherwerfen – weiter investieren, ohne zu klären, ob Aussicht auf Erfolg bestand und in welche Richtung die Arbeit fortgesetzt werden sollte.
Vorgehensweise
Für jede der zu prüfenden Erfindungen lag die Problemstellung etwas anders, und somit auch die Ansätze, die Situation zu klären. Vorweg wurden stets ausführliche Patantanalysen durchgeführt, um zu zeigen, wohin die „Platzhirsche“ auf den jeweiligen Gebieten sich bewegten, und aus welchem Umfeld sie stammten: Eher Pharma? Eher Kunststoffe? Oder funktionelle Materialien?
Monomerenherstellung in der Gasphase
Diese Erfindung betraf ein „markantes“, d. h. in seinem Endzweck und der Marktsituation gut darzustellendes Verfahren zur Herstellung einer Monomerenklasse, aber sachkundigen Personen fiel gleich die große, noch ungeklärte Fragestellung auf: War das Verfahren überhaupt ohne weiteres vom Labor- in den Produktionsmaßstab skalierbar? Die Interessenten verlangten eine Technikumsanlage als Funktionsbeweis – und die Kosten dafür wurden auf ca. 1 Mio. Euro geschätzt. Dies konnte der Investmentfond nicht mehr vorstrecken, wenn er nicht seine eigenen Regeln zum Umgang mit dem ihm anvertrauten Kapital brechen wollte.
Es wurde also nach einem Investor gesucht, der bereit war, das Verfahren „as is“ zu kaufen, eventuell auch zu einem deutlich reduzierten Preis. Dazu wurde mit den Erfindern vereinbart, die Laboranlage nochmals aufzubauen. Durch Artikel in der internationalen Presse, welche die Perspektiven des Verfahrens betonten, wurden einige Interessenten ausfindig gemacht und zu einer Vorführung eingeladen.
Organische Synthese
Andere Erfindungen betrafen die organische Synthesechemie. Fortschritt findet auf dem Gebiet nicht in großen Sprüngen, sondern in inkrementellen Verbesserungen statt, die einzeln patentiert werden, falls sie nicht ohnehin in der chemischen Fachliteratur publiziert und somit für jedermann frei verwendbar werden.
Für einen Hersteller ist es selten interessant, eine Lizenz für eine kleine Verbesserung zu kaufen und seinen Prozess umzustellen, das Verhältnis von Aufwand und Ertrag ist dabei oft zu schlecht. Somit war man bei der Vorstellung dieser Erfindungen immer nur auf ein leicht gelangweiltes „Nun ja, ganz nett…“ getroffen.
Eine der Erfindungen erleichterte wesentlich die chemische Totalsynthese eines zu der Zeit stark diskutierten Anti-Aging-Pflanzenstoffs, des Resveratrols. Entsprechend wurde die Suche nach Interessenten stark auf Hersteller von Neutraceuticals konzentriert.
Die andere Erfindung war komplexer; sie zerfiel in zwei Teile und lief entweder auf die Herstellung von Liganden für die homogene Katalyse hinaus, oder auf die Funktionalisierung von Kohlenstoffmaterialien.
In allen Fällen wurde von ausgesprochenen Spezialisten auf dem Markt Feedback eingeholt. Die Erfindung wurde dazu in jeweils zwei Broschüren vorgestellt, eine davon technisch detailliert und die andere eher für das Management konzipiert. Das Feedback war durchweg negativ: Die Problemlösungen waren zwar gut, das Problem als solches aber nicht groß genug, um eine Veränderung anzustoßen. Zumindest aber hatte der Investor eine fundierte Grundlage für seine Entscheidung, in diese Erfindungen kein weiteres Geld hineinzustecken.
[1] Alle Statistiken des US-amerikanischen Patentamtes lassen sich von einer zentralen Stelle aus abrufen, allerdings nicht direkt verlinken.