Teil I des Beitrags: Grundlagen der Monte-Carlo-Simulation
Das Testobjekt: Bisulfitwäscher für formaldehydhaltige Abluft
Ein mit geringen Mengen Formaldehyd beladener Abluftstrom einer Versuchsanlage wurde mit alkalischer Hydrogensulfitlösung behandelt, um das Formaldehyd und eventuelle andere Aldehyde zu binden. Dies funktioniert recht gut auf Basis der Bildung von Bisulfitaddukten (Abb. 2). Die Bisulfitaddukte sind einigermaßen wasserlöslich und schwer flüchtig und werden so zurückgehalten.
Der Wäscher (Abb. 1 zeigt ihn probehalber halbmontiert, vor dem Transport zum eigentlichen Aufstellungsort) ist eine Standardapparatur, mit pH- und Redoxsonden zur Regulierung der Zugabe von Natronlauge und Natriumhydrogensulfit und den entsprechenden chemikalienbeständigen Dosierpumpen.
Chemikalienverbrauch
Es ist theoretisch recht leicht auszurechnen, wie viel Chemikalien so ein Wäscher im Idealfall verbraucht. In die Rechnung gehen ein:
- Verbrauch von Natronlauge durch die Umsetzung mit atmosphärischem und Verbrennungs-CO2 (theoretisch verbraucht die Bisulfitreaktion selbst keine Natronlauge)
- Verbrauch von Natronlauge mit anderen, mit der Abluft eingeschleppten sauren Substanzen
- Verbrauch von Bisulfit durch die Umsetzung mit allen niedermolekularen Aldehyden
- Verbrauch beider Chemikalien durch den Austrag bei der Erneuerung der Waschflüssigkeit.
Das Problem
In der Praxis zeigte es sich jedoch, dass der Wäscher ein Vielfaches der vorhergesagten Verbindungen nachdosierte, was ihn auf Dauer zu teuer gemacht hätte. Es zeigte sich bei der detaillierten Untersuchung des Problems, dass zahlreiche, vorher nicht berücksichtigte Einflüsse am Werk waren, deren relative Auswirkungen gut mit einer Monte-Carlo-Simulation abgeschätzt werden können.
Die Einflussgrößen
Neben der für Standardbedingungen errechneten Umsetzung von Natronlauge NaOH und Natriumbisulfit NaHSO3 tragen weitere Faktoren zum Verbrauch der Chemikalien – oder auch nur zum Dosierverhalten der Anlage – bei:
- Die Abluft hat mehr CO2 als ursprünglich berechnet. Die Abluft kommt aus einem direkt mit Erdgas befeuerten Ofen, hat also davon abhängige CO2-Konzentrationen.
- Der Wäscher dient gleichzeitig zur Abkühlung der Ofenabluft, ist also deutlich wärmer als Raumtemperatur. Die Sonden könnten somit ihre Eichung verlieren und falsch anzeigen.
- Die Redox-Sonde funktioniert gar nicht, und Natriumbisulfit wird in einer festen Proportion zur Natronlauge zudosiert. Seltsamerweise konnte niemand feststellen, wie die Programmierung in diesem Punkt gestaltet war, und der Punkt wurde mit in die Simulation aufgenommen.
Zahlen und Übergangsgleichung
Um modellieren zu können, braucht man (a) den Zusammenhang der Variablen zur Endgröße „Verbrauch“ und (b) die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der einzelnen Variablen.
- Die Schwankungen des CO2-Gehalts der Ofenabluft sowie der Temperaturen können aus typischen Messdaten ausgezählt und als Histogramm dargestellt werden. Histogramme kann man an Stelle einer Dichtefunktion ebenfalls für die Monte-Carlo-Simulation verwenden.
- Die Temperaturabhängigkeit der Sensorsignale sollte man idealerweise in der Gerätedokumentation finden, schlimmstenfalls kann man sie anhand einer Probe der Eichlösung und einem thermostatisierten Wasserband selbst messen.
- Es ist praktisch, die Zusammenhänge in Excel darzustellen, weil die meisten Softwarelösungen für Monte-Carlo-Simulationen Excel-Add-Ons sind.
- Um das Modell hier zum Download anbieten zu können, habe ich nicht die wahren Zahlen und Gerätemodelle verwendet, aber realistische Zahlen.
Softwarelösungen – oft nur unschöner Schein
- @RISK, ein Excel-Add-On aus England, ist der Industriestandard für diesen Bereich. Die unter dem Link erreichbare (deutsche) Website ist sehr ausführlich und informativ. Die Lizenzgebühr beträgt mehr als 2.000 £, was die meisten nicht ausgeben möchten, wenn solche Rechnungen nur gelegentlich gemacht werden.
- RiskAmp, die Konkurrenz aus Kalifornien, sieht zunächst ähnlich aus und kann für 15$ im Monat lizensiert werden. Außerdem gibt es eine 30-Tage-Testversion.
- Excel kann auch ohne Add-On Monte-Carlo-Simulationen durchführen. Es ist allerdings ein kleiner Trick dazu nötig, das Programm dazu zu bringen, mehrere Male dieselbe Berechnung durchzuführen und das Ergebnis in einer Datentabelle darzustellen. Der Link führt zu einem Tutorial mit Text und Video, das Aufbauen des Modells ist etwas aufwändiger als mit einem vorgefertigten Add-In. Excel hat dafür genug Wahrscheinlichkeitsverteilungen für den Hausgebrauch hinterlegt. Höchstens die Dreiecksverteilung könnte man vermissen. Hierfür bietet ein anderer, geheimnisvoller Anbieter wiederum Excel-Add-Ins an. Auf seiner Seite montecarloexceladdin.com wird schön illustriert erklärt, wie die Verteilungen aussehen – will man sie sich aber holen und gibt seine Kontaktdaten dafür her, gibt es lediglich eine freundliche Nachricht, man würde sich melden, sobald es etwas Neues gibt.
- YASAI (Yet Another Simulation Add-In) wurde zu Lehrzwecken entwickelt, es ist also vor allem einfach. Es ist für wirtschaftswissenschaftliche Anwendungen gedacht, was aber zu Beginn wenig Unterschied zu technischen und naturwissenschaftlichen Fragestellungen hat (die häufigsten Wahrscheinlichkeitsverteilungen sind letztlich gleich). Die Installationsanweisung ist klar und verständlich, allerdings funktioniert das Add-In nur einmal – man muss es bei jedem Gebrauch neu einbinden und das alte überschreiben.
- tukhi ist ein weiteres, kostenloses Excel-Add-on. Es scheint von einer einzelnen Person zu stammen, die/der nicht einmal auf Sourceforge eine Seite über sich hat. Mit der Installation bekommt man angeblich ein Arbeitsbuch mit Beispielen. Ich habe es nicht ausprobiert, denn nach der Installation kommt die Botschaft, das Programm wäre „abgelaufen, und man solle sich doch an den Programmierer wenden“. Was ich nicht getan habe.
- MCSim ist das Excel-Add-In zu einem Buch, ebenfalls über volkswirtschaftliche Anwendungen. Es gibt eine recht brauchbare Anleitung zu dem Add-On. Schade, dass es nicht funktioniert – nach der Installation nennt Excel das spanische Wort für Werkzeuge und meldet einen Laufzeitfehler.
- Sollte jemand noch einen 32-bit-Rechner sein eigen nennen, könnte er/sie es auch einmal mit SimulAr versuchen. Bei mir, unter 64 bit, lief SimulAr nicht.
- Wer sich mit der Statistik-Programmiersprache „R“ auskennt (ich tue es nicht), kann ein Vorlesungsskript herunterladen, welches die Durchführung von Monte-Carlo-Simulationen mit R erläutert.
Eigentlich wollte ich noch in diesem Beitrag das Wäscherproblem in einer der Softwares rechnen, aber der Beitrag würde zu lang werden. Es müssen noch die Variablen des Modells und deren Wahrscheinlichkeitsfunktionen zusammengestellt werden, die Übergangsgleichung aufgestellt und dann in Excel formuliert werden, ehe die eigentliche Simulation beginnen kann. Dies werden wir im dritten Teil des Beitrags in zwei Wochen durchführen.
[…] im vergangenen Blogbeitrag vorgestellte Wäscher verbrauchte durchschnittlich 50 – 60 kg (ca. 33 – 39 l) 50%ige […]