Poröse Feststoffe können vielfältig zur Anreicherung und Abtrennung von Bestandteilen aus einer fluiden Phase genützt werden. Mein Interesse gilt vor allem der industriellen Abluftreinigung. Das momentan „heißeste“ Thema ist allerdings die Adsorption von CO2, entweder zur Verringerung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre oder zur Aufarbeitung von Biogas.
Aus technischer Sicht sind Adsorptionsvorgänge mit Feststoffen eher unbeliebt, wegen der Größe der Anlagen, der Notwendigkeit, sie redundant auszulegen, und der Tatsache, dass man trotz aller Tricks in den allermeisten Fällen keine wirklich kontinuierlichen Prozesse hinbekommt.
Natürlich kann man absorbieren – d. h. bestimmte Bestandteile aus einer Gasmischung in Flüssigkeiten lösen – oder extrahieren, d. h. gelöste Bestandteile von einem Fluid ins andere übertragen. Die Selektivität ist bei einem solchen Vorgang jedoch eine ganz andere als bei der Adsorption, und vor allem gibt es keinen Größenausschluss.
Was wäre also idealer als eine Flüssigkeit mit der Porenstruktur eines porösen Feststoffes, oder umgekehrt, ein festes Adsorbens, das trotzdem fließt?
Um dieses „Mischwesen“ soll es im heutigen Blogbeitrag gehen.
Wie kann man sich poröse Flüssigkeiten vorstellen?
Auch Flüssigkeiten bilden Hohlräume in molekularer Größenordnung aus, aber diese sind temporär, da sich die Moleküle der Flüssigkeit ständig, und schnell, aneinander vorbeibewegen. Der Lösungsvorgang ist physikalisch etwas anderes als die Einlagerung von Gastmolekülen in bereits bestehende Hohlräume. [1]
Wie aber bekommt man dauerhafte, unveränderliche Hohlräume in eine Flüssigkeit hinein? Dafür gibt es mehrere Ansätze; die Flüssigkeiten werden als Typ 1- bis Typ 4-poröse Flüssigkeiten bezeichnet.
Typ 1
Typ 1-poröse Flüssigkeiten sind reine Stoffe. Die Moleküle enthalten einen Käfig, in welchen die Moleküle selbst nicht eindringen können, auch nicht mit einem anderen Ende ihrer Molekülstruktur. Dies wird schematisch oft als Hohlkugeln dargestellt, wenn auch die konkreten Beispiele anders aussehen.
Moleküle, die dauerhafte Hohlräume haben, sind z. b.
- Kronenether, wie [18]-Krone-6
- Cyclodextrine
- Cucurbiturile.
Das Bild zeigt ein alpha-Dextrinmolekül aus 6 Glucoseeinheiten, die einen kegelstumpfförmigen Hohlraum umschließen, ähnlich wie ein Eimer ohne Boden.
Das Problem mit diesen Substanzen? Es sind bei Raumtemperatur keine Flüssigkeiten. [18]-Krone-6 schmilzt unterhalb von 50 °C, die anderen Vertreter dieser Stoffgruppe lassen sich größtenteils ohne Zersetzung gar nicht schmelzen. Auch das verbreitete MOF (Metallorganische Gerüstverbindung) „ZIF-4“ wurde aufgeschmolzen und dann unterkühlt, wobei eine gewisse Porosität erhalten blieb. [2] Diese blieb aber nicht lange bestehen und war eher klein. Sie lag bei 40 cm³/kg. Zum Vergleich dazu hat Aktivkohle eine Porosität von 150 – 600 cm³/kg, nur für das Mikroporenvolumen.
Typ 2
Bei Typ 2-porösen Flüssigkeiten handelt es sich um homogene Lösungen von organischen Käfigmolekülen oder „MOPs“ [3] in einem Lösungsmittel, welches räumlich so gehindert ist, dass es nicht selbst die Hohlräume ausfüllen kann.
Das Lösungsmittel selbst soll einen möglichst niedrigen Dampfdruck haben, wie etwa Polyether oder ionische Flüssigkeiten.
Es ist ein gewisser Aufwand, wenn man feststellen will, ob man tatsächlich eine Typ-2-poröse Lösung erhalten hat. Mit Versuchen wie Dichtemessung und Siedepunktserniedrigung muss man prüfen, ob man tatsächlich eine Lösung, nicht nur eine Dispersion erhalten hat, und ob das Lösungsmittel nicht doch, zumindest teilweise, in die Hohlräume eindringt.
Diese Art poröser Flüssigkeit ist leichter herzustellen und handzuhaben als eine Typ-1-poröse Flüssigkeit, die eine viskose und thermisch empfindliche Schmelze darstellt. Es gibt Beispiele für Typ-2-poröse Flüssigkeiten, die tatsächlich durch Wärmetauscher und über Fallfilmverdampfer fließen könnten, nur ist es eben eine Lösung, die sich im Prozess auch trennen kann.
Typ 3
Typ-3-poröse Flüssigkeiten sind diejenigen, über die es die meisten Publikationen zu geben scheint. Es handelt sich dabei um Dispersionen kleinster Partikel bekannter poröser Feststoffe (etwa MOFs) in einem sterisch gehinderten Lösungsmittel, das nicht in die Poren eindringen kann und einen geringen Dampfdruck besitzt. Die Dispersion kann mit verschiedenen Methoden stabilisiert werden, etwa indem man die Feststoffpartikel außen mit organischen Seitenketten besetzt, die das Zusammenballen der Partikel stören sollen.
Endlos stabil ist die Dispersion natürlich nicht und sie kann sich im Prozess auch trennen. Die große Vielfalt der mittlerweile dargestellten und beschriebenen MOFs gibt einem aber eine große Handlungsfreiheit beim Entwerfen einer Typ-3-porösen Flüssigkeit.
Umsetzung in die Praxis
Das Thema ist, sagen wir, noch ziemlich „nischig“. Die folgende Darstellung der Anzahl an Veröffentlichungen zu dem Thema stammt aus [4], und man sieht, dass die Fachwelt sich nicht gerade mit Publikationen überschlägt.
Ich habe eine Patentrecherche zu dem Thema angestellt und fand fast keine Erfindungen aus der Industrie. Die Patentinhaber sind größtenteils universitäre Forschungsinstitute.
Es schien einmal eine Firma in Dublin gegeben zu haben, die Beratung zur Anwendung dieser Flüssigkeiten angeboten hat. Einige der Teilhaber waren auch die Erfinder aus einigen der Patente. Der dazugehörige Handelsregistereintrag behauptet jedoch, die Erneuerung des Eintrags wäre in diesem Jahr nicht mehr durchgeführt worden, die Firmenwebseite ist noch online. Ich habe nicht versucht, die Leute zu kontaktieren, und kenne selbst auch keine Anlagen, die mit porösen Flüssigkeiten arbeiten.
Probleme fressen Versprechen?
Wie die Dampfmaschinen der ersten Stunde scheinen die bisher verfügbaren porösen Flüssigkeiten schwerfällige, störanfällige und zersetzliche Dinger zu sein, mit denen nur die wenigsten Mutigen auch nur Technikumsprozesse umsetzen mögen.
Neben der thermischen Zersetzlichkeit der Typ-1-porösen Flüssigkeiten und ihrer hohen Viskosität kommen noch die folgenden ungeliebten Effekte hinzu:
- Die hohe Dichte der Flüssigkeiten
- Die Möglichkeit der Entmischung und Bildung fester Rückstände in der Anlage
- Die begrenzte thermische Belastbarkeit auch von Typ-3-porösen Fluiden
- Die Trägerflüssigkeiten sind in den meisten Fällen feuchtigkeitsempfindlich und korrosiv.
Wie man an den mit Genosorb (R) gefüllten Anlagen sehen konnte (die nur selten realisiert werden), ist es nicht trivial, einen Gaswäscher oder eine sonstige Apparatur zur Absorption mit derartigen Flüssigkeiten zu betreiben. Genosorb ist eine polyethylenglykolbasierte Flüssigkeit, also vergleichbar mit denen, die als Lösungs- oder Suspensionsmittel für die porösen Flüssigkeiten vorgeschlagen wurden. Ihre hohe Lösekraft und die Korrosivität ihrer Zersetzungsprodukte (z. B. Essigsäure) machen es schwer, eine solche Anlage in Gang zu halten, vor allem wenn sie membranbasiert ist.
So bestechend die Idee einer „flüssigen Aktivkohle“ oder eines „flüssigen Molekularsiebes“ ist, ist es noch früh für diese Technik und man kann nur hoffen, dass die Forschung nicht das Interesse an diesem Ansatz verliert.
Noch etwas zum Lesen
Pasquale Fernando Fulvio, Sheng Dai, „Porous Liquids: The Next Frontier“, Chem, Volume 6, Issue 12,
2020, Pages 3263-3287, https://doi.org/10.1016/j.chempr.2020.11.005
Giri, N., Del Pópolo, M., Melaugh, G. et al. „Liquids with permanent porosity.“ Nature 527, 216–220 (2015). https://doi.org/10.1038/nature16072
Isaac Borne, Kartik Saigal, Christopher W. Jones, Ryan P. LIvely, „Thermodynamic Evidence for Type II Porous Liquids.“ Ind. Eng. chem. Res. 2023,62, 29, 11689 – 11696, https://doi.org/10.1021/acs.iecr.3c01201
[1] In (festem) Wassereis kann es durchaus zu einer solchen Einlagerung kommen. Das bekannteste Beispiel ist Methanhydrat, das Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und leichte Überdrücke für seine Stabilität benötigt.
[2] Mohd Zamidi Ahmad, Alessio Fuoco, „Porous liquids – Future for CO2 capture and separation?“, Current Research in Green and Sustainable Chemistry, Volume 4, 2021, 100070. https://doi.org/10.1016/j.crgsc.2021.100070
[3] Metallorganische Polyeder („metal-organic polyhedra“), die chemisch so aufgebaut sind wie MOFs, aber keine unendlich ausgedehnten Netzwerke bilden, sondern platonische Körper (Polyeder). Es gibt einige Übersichtsartikel im Volltext dazu, etwa hier.
[4] Wang, D. C., Xin, Y. Y., Yao, D. D., Li, X. Q., Ning, H. L., Zhang, H. M., Wang, Y. D., Ju, X. Q., He, Z. J., Yang, Z. Y., Fan, W. D., Li, P. P., Zheng, Y. P., Shining Light on Porous Liquids: From Fundamentals to Syntheses, Applications and Future Challenges. Adv. Funct. Mater. 2022, 32, 2104162. https://doi.org/10.1002/adfm.202104162
Schreibe einen Kommentar