Wie schon im Teil I dieses Beitrags erläutert, spricht man von Hysterese im Zusammenhang mit Adsorption, wenn die Isotherme des Adsorptionsvorgangs nicht mit derjenigen des Desorptionsvorganges zusammenfällt. Dies kann verschiedene Formen annehmen. Die IUPAC definiert zur Zeit sechs verschiedene Hysteresetypen (Abb. 1, Quelle: [1])
Was sagen die verschiedenen Formen der Hystereskurven über den dahinterliegenden Mechanismus aus? Und was kann man unternehmen, wenn ein solcher Effekt in der Praxis stört?
Porenkondensation
Das Adsorpt – die auf der Adsorbensoberfläche liegende kondensierte Phase – ist teilweise ähnlich einer flüssigen Phase, aber nicht gleich. Abb. 2 zeigt den Fortschritt der Adsorption bis zur Porenkondensation, welche nur bei Mesoporen (Poren zwischen 2 – 50 nm Durchmesser) auftritt. Bitte bedenken: Alle folgenden mechanistischen Erklärungen sind stark vereinfacht, und verschiedene Einflüsse können auch gleichzeitig auftreten, sich überlappen, verstärken oder gegenseitig aufheben.
In Fällen, in denen sich zuerst eine Monoschicht aufbaut, wie etwa bei der Hystereseform H1, ist der Dampfdruck der des Adsorbates (des Adsorbens-Adsorptiv-Komplexes) und entspricht nicht dem Dampfdruck der flüssigen Phase, sondern ist signifikant niedriger.
Ab dem ersten Wendepunkt der Isotherme beginnt sich eine mehrschichtige Bedeckung aufzubauen. Je weniger ausgeprägt das Plateau der Isotherme, und je unklarer der Wendepunkt, desto stärker überlappen die Bereiche von Monoschicht- und Mehrfachlagenausbildung.
Wenn die Kräfte zwischen Adsorbens und Adsorptiv eher schwach sind, ist eine Mehrfachschicht ab einer gewissen Dicke nicht mehr stabil, weil die schwachen „Adsorptionskräfte“* nicht mehr weit genug reichen. Wenn die intermolekularen Kräfte zwischen den Adsorptivteilchen stärker werden als die Kräfte, die die einzelnen Moleküle an die Wand binden, „kollabiert“ die Mehrfachschicht und es bildet sich eine Kondensatphase aus, welche dann soviel weiteres Adsorptiv aufnehmen kann, bis die Pore gefüllt ist. Dies entspricht dem steilen Bereich der Isotherme, die sich hier in eine Hystereseschlaufe teilt. Je steiler dieser Zweig ist, desto gleichförmiger sind die Poren (vergleiche etwa H1 und H2(b) mit den anderen Hysteresetypen)
Wenn die Pore durch einen engen Hals verschlossen ist, kann der Meniskus, der die Flüssigkeit nach oben abschließt, als eine Art Stopfen wirken, der die Desorption verzögert und somit die Hysterese erzeugt.
Die Kelvin-Gleichung
1871 veröffentlichte Lord Kelvin seine Arbeit über den Dampfdruck von gekrümmten Flüssigkeitsoberflächen: Im Vergleich zu flachen Oberflächen haben gekrümmte Flüssigkeitsoberflächen mit positivem Radius (also etwa Tropfen) einen erhöhten Dampfdruck, solche mit negativem Krümmungsradien (z. B. ein hängender Meniskus) einen erniedrigten Dampfdruck. Dies wird in der Kelvin-Gleichung beschrieben:
R = allgemeine Gaskonstante
T = Temperatur in Kelvin
pk = Kelvin-Dampfdruck der gekrümmten Oberfläche
pv = Sättigungsdampfdruck über einer ebenen Oberfläche
γ = temperaturabhängige Oberflächenspannung
Vm = molares Volumen des Fluids
r1, r2 = zwei im Winkel von 90° aufeinanderstehende Radien der gekrümmten Oberfläche
Der Pore-Blocking-Mechanismus
Da die Radien im Fall eines hängenden Meniskus negativ sind, wird auch der linke Term der Gleichung negativ, was bedeutet, der Kelvin-Dampfdruck ist niedriger als der normale Sättigungsdampfdruck. Um wieviel niedriger, wird von der Größe der Flaschenhälse bestimmt, falls alles andere gleich bleibt. Daher wird bei sehr gleichmäßiger Porenstruktur die Desorption schlagartig einsetzen, sobald der Partialdruck auf den Kelvin-Druck der Flüssigkeitsmenisken abgesenkt wurde (etwa H1, H2(a) und anfangs bei H5). Ansonsten geht die Desorption nach und nach vonstatten.
Der Perkolationsmechanismus
Wenn der Durchmesser der Porenöffnungen eine charakteristische Größe unterschreitet, findet in den Poren auch Kavitation statt, d. h. es bilden sich spontan Gasbläschen aus. [2] Vor allem wenn ein Netzwerk von Poren vorhanden ist (mehr als ein Ausgang je Pore), kann sich die Pore schlagartig entleeren, während der Meniskus zunächst bestehen bleibt. Die Hysterese ist in diesen Fällen sehr ausgeprägt. [2] hat einige sehr anschauliche Abbildungen, die diese Mechanismen verdeutlichen.
Verschwindende Hystereseschlaufen
Wenn die Hysterese nur in den ersten Adsorptions-Desorptionszyklen auftritt und danach verschwindet, hat sich offensichtlich etwas am Adsorbens geändert. Entweder sind bestimmte Porenvolumina oder -öffnungen dauerhaft belegt und nehmen nicht mehr am Adsorptionsvorgang teil, oder es sind Verunreinigungen verschwunden und haben bisher nicht zugängliche Poren(öffnungen) freigelegt. In dem Fall, dass das Adsorptiv das Adsorbens angreift und die Porenstruktur verändert, würde nach und nach nicht nur die Hystereseschlaufe, sondern auch die übrige Adsorptionskapazität verschwinden.
Gelegentlich ist das Verschwinden der Hysterese auch nur vorgetäuscht, weil man nicht den gesamten Dampfdruckbereich untersucht hat und (z. B. durch das Freilegen von zusätzlichem Mikroporenvolumen) die Hysterese sich in Richtung höherer Partialdrücke verschoben hat.
Was also tun?
- Zunächst sollte man bei einer neuen Adsorbens-Adsorptivpaarung prüfen, ob sich im für die Anwendung interessanten Dampfdruckbereich ein Hystereseverhalten zeigt. Am besten auch 25 – 50% über den interessanten Bereich hinaus messen, also etwa bis 80% relativer Feuchte, wenn man nur damit rechnet, maximal 50% zu haben.
- Dann sollte man jedes neue Adsorbens in mehreren Zyklen prüfen. Mindestens 5, 10 wären besser. Eine anfängliche Änderung sollte sich bis jetzt stabilisiert haben, ansonsten ist das Adsorbens ohnehin ungeeignet.
Hat man tatsächlich eine Hysterese genau dort, wo sie stört, gibt es nur zwei Möglichkeiten, sie loszuwerden:
- Entweder man kann in einem anderen Partialdruckbereich arbeiten – meistens keine Option – oder
- man wechselt das Adsorbens oder
- man fügt der Desorption zusätzliche Energie zu.
Andere Porenstruktur
Silikagele z. B. werden oft in mehreren Porenweiten – „engporiges“ und „weitporiges“ Silikagel genannt – angeboten. Beim Übergang von weit- zu engporigen Silicagelen, die einen verminderten Anteil an Mesoporen haben, kann es sein, dass die Hystereseschlaufe nicht verschwunden, aber so eng geworden ist, dass sie in der Praxis nicht mehr stört. Ähnliches gilt für Aktivkohlen: Das organische Ausgangsmaterial, aus dem sie gewonnen werden, und die Herstellung beeinflussen die Porengrößenverteilung und somit das Hystereseverhalten.
Adsorbenswechsel
Die Hystereseschlaufe kann enger werden, wenn das Adsorbens besser an das Adsorptiv angepasst wird. Im Fall von Wasser heißt das, ein stärker polares Adsorbens zu wählen, im Fall von apolaren VOC auf Aktivkohle (die allerdings in der Praxis nur sehr selten Probleme bereiten), eine weniger polare Kohle oder gleich auf ein polymerbasiertes Adsorbens zu wechseln.
Mehr Power!
Die Möglichkeit, die man meistens wählen wird, ist, der Desorption etwas zusätzliche Energie zuzuführen. Sowohl Temperaturerhöhung als auch Vakuum helfen, und oft ist nicht sehr viel Zusatzenergie nötig, damit die Desorption stattfindet. Hier sollte man sich an das notwendige Minimum herantasten. Durch die Energieersparnis amortisieren sich zusätzliche Versuche meist in weniger als einem Jahr.
[1] Thommes, M., Kaneko, K., Neimark, A. V., Olivier, J. P., Rodriguez-Reinoso, F., Rouquerol, J., & Sing, K. S. W. (2015). Physisorption of gases, with special reference to the evaluation of surface area and pore size distribution (IUPAC Technical Report).
* Unter dem Begriff seien alle von der Porenwand ausgehenden Wechselwirkungskräfte mit dem Adsorptiv zusammengefasst, etwa die van der Waals-Kraft.
[2] Thommes, M. (2010). Physical Adsorption Characterization of Nanoporous Materials. Chemie Ingenieur Technik, 82(7), 1059–1073. http://doi.org/10.1002/cite.201000064
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