Stellen Sie sich vor, Sie sollen die Planung oder Komponenten für eine Fass-Waschanlage in einem Sanierungsfall anbieten. In den Fässern lagerte jahrelang Alkron. Was ist Alkron? Ist es giftig, korrosiv oder gefährlich? Müssen bestimmte Regelungen eingehalten werden? Die Antworten auf alle diese Fragen bekommen Sie erst, wenn sie wissen, was Alkron überhaupt ist.
Vielfalt der Bezeichnungen
DNTP, ENT-15108, Thiophos, Alleron, Aphamite, Etilon, Folidol, Fosferno, Niran, Paraphos, Rhodiatox, Alkron: Alle diese Handelsbezeichnungen meinen ein und die selbe Substanz namens Parathion (früher ein gebräuchliches Insektizid), mit der Summenformel C10H14NO5PS und der CAS-Nummer [56-38-2], welche in systematischer Weise als Diethyl-p-nitrophenyl-monothiophosphat, O,O-Diethyl-O-p-nitrophenyl-phosphorothioat oder auch noch anders bezeichnet werden kann. Sie kennen den Stoff wahrscheinlich als E605.
Das Problem
Über einen Handelsnamen muss zuerst die Substanz zweifelsfrei identifiziert werden, um danach die benötigten Eigenschaften herausfinden zu können. Denn erst, wenn Sie für den Stoff eine eindeutige Bezeichnung kennen, macht es Sinn, in Datenbanken oder anderen Quellen nach den Stoffeigenschaften zu suchen.
Eindeutige Bezeichnungen
Eindeutige Bezeichnungen sind solche, die nur eine einzige chemische Substanz bezeichnen. Für das Beispiel Alkron sind dies:
- Die CAS-Nummer [56-38-2]: Die CAS-Nummer ist zur eindeutigen Bezeichnung von Chemikalien am gebräuchlichsten. Sie wird vom Chemical Abstracts Service für jede neue chemische Verbindung und auch für einige Stoffmischungen verliehen, über die in der Fachliteratur berichtet wird. Die Mitarbeiter des CAS überblicken einen Großteil der weltweiten Publikationen auf dem Gebiet der Chemie und verwandter Gebiete, so dass fast alle chemischen Verbindungen auch eine CAS-Nummer haben. Diese hat das Format [xxx-yy-z], wobei der Block xxx zwei bis fünf Ziffern haben kann. Fast jede Chemikaliendatenbank verarbeitet CAS-Nummern.
- Die IUPAC-Bezeichnung (Diethyl-p-nitrophenyl-monothiophosphat): IUPAC steht für International Union of Pure and Applied Chemistry. Die Aufgaben dieser Organisation liegen auf dem Gebiet der Normung, z. B. entwickelte sie ein einheitliches und eindeutiges System zur systematischen Vergabe von Chemikaliennamen. Die IUPAC-Namen spiegeln die Struktur wider und sind dementsprechend oft lang, unhandlich und selbst für Chemiker ein wenig abschreckend. Außerdem sind sie in der Praxis nicht ein-eindeutig: Es können mehrere dieser so genannten systematischen Namen für ein Molekül existieren, etwa durch die Verwendung eines älteren Nomenklatursystemes. Im Sprachgebrauch kommen sie kaum vor, werden aber für formelle Dokumente wie Chemikalienetiketten, Katalogeinträge oder Spezifikationen gebraucht. – Der Vorteil der IUPAC-Bezeichnung liegt darin, dass sich aus ihr Struktur- und Summenformel ableiten lassen. Im Internet gibt es kostenlose Tools, die diese Aufgaben übernehmen.
- Die Strukturformel: Die Strukturformel ist diejenige Notation einer chemischen Verbindung, welche die meisten Informationen enthält. Manche Datenbanken verarbeiten direkt Strukturformeln, die mit einem (Online-) Moleküleditor erzeugt wurden. Zumindest aber kann man aus der Strukturformel die Summenformel ableiten. Die Summenformel wird von fast allen Datenbanken akzeptiert. In Umkehrung der Name-to-Structure-Funktion, die für die IUPAC-Namen beschrieben wurde, existieren im Internet Tools, die eine Structure-to-Name-Umwandlung durchführen und zu einer Strukturformel die passende IUPAC-Bezeichnung liefern.
- MDL-Nummer: In letzter Zeit setzt sich auch die MDL-Nummer (die eindeutige Identifikationsnummer des MDL Directory of Available Chemicals, eines kostenpflichtigen Verzeichnisses lieferbarer Chemikalien) zunehmend durch. Manche Datenbanken gestatten eine Suche danach. Daneben existieren noch eine Reihe weiterer Nummern, die für einzelne Bereiche wie das Transportwesen von Bedeutung sind, Ihnen aber kaum helfen werden, die dazugehörige Substanz zu finden.
- Substanzname (Parathion): Chemische Verbindungen haben zumeist einen eigentlichen Substanznamen. Die anderen Namen sind Handelsbezeichnungen von Nachahmerprodukten, oder die Namen für das Präparat, in welchem der Stoff in den Handel kommt. Der Substanzname bietet gute Chancen, eine Verbindung aufzufinden, sei es über Datenbanken oder über Suchmaschinen.
- Smiles-Notation (S=P(Oc1ccc(cc1)N(=O)=O)(OCC)OCC): Diese Art, ein organisches Molekül zu „schreiben“, stellt im Grunde eine Strukturformel nur mit ASCII-Zeichen dar. Diese eindeutige und optimal maschinenlesbare Darstellungsart bzw. ihr Nachfolger, der International Chemical Identifier InChI, können ebenfalls in vielen Datenbanken abgefragt werden. Die Erstellung eines SMILES-Strings ist ziemliche Gehirnakrobatik. Ich benutze dazu ChemSketch von ACDLabs. Die Software berechnet auch InChIs, Summenformeln und fungiert als Generator von IUPAC-Namen. Wer nichts installieren möchte, kann ein Online-Tool verwenden (für InChIs hier – allerdings nicht für reine Chemie-Anfänger).
Nicht eindeutige Bezeichnungen
Folgende Bezeichnungen sind nicht eindeutig, das heißt, sie können sich auf mehr als eine chemische Substanz beziehen:
- Die Summenformel (C10H14NO5PS): Da die 10 Kohlenstoffatome, 14 Wasserstoffatome, ein Stickstoffatom, 5 Sauerstoffatome und je ein Phosphor- und ein Schwefelatom auf verschiedene Art und Weise zu einem Molekül zusammengefügt sein können, ist die Summenformel keine eindeutige Bezeichnung. Da sie jedoch in vielen Datenbanken abgefragt werden kann und in vielen Nachschlagewerken und Registern aufgelistet ist (mit einem bis maximal etwa 15 Substanznamen zu jeder Summenformel), ist sie zur Stoffdatensuche dennoch sehr nützlich. Die Reihenfolge der Atome ist dabei festgelegt: Zuerst kommen die Kohlenstoffatome, dann die Wasserstoffatome, dann die übrigen Atome in alphabetischer Reihenfolge. Auf diese Weise sind die Einträge in gedruckten Handbüchern angeordnet (C1-Verbindungen kommen dabei vor C2-Verbindungen, und C2H3-Verbindungen kommen vor C2H4). Genau so angeordnet müssen Sie die Summenformel in die Suchmaschinen eingeben, wenn Ihre Suche Erfolg haben soll (wenn auch manche Datenbanken tolerant gegenüber Vertauschungen sind).
- Die Substanzklassenbezeichnung (Thiophosphorsäureester): Solche Bezeichnungen definieren eine ganze Klasse von Verbindungen. Andere Beispiele wären „Alkohol“, „Nitrat“ oder „Fettsäure“. Dahinter können sich Tausende von Verbindungen verbergen.
Suchtechnik – So können Sie vorgehen, um die Substanz hinter einer Bezeichnung zu identifizieren
Die einfachste Methode: Fragen Sie nach einem Sicherheitsdatenblatt für den Stoff. Das ist keine Schande! Ein Sicherheitsdatenblatt muss bestimmte Angaben enthalten, welche Ihnen weiterhelfen werden, so z. B. Synonyme, die CAS-Nummer, die Summenformel oder, falls es sich um eine Formulierung handelt, Angaben zur Zusammensetzung. Somit haben Sie den besten Anhaltspunkt, um diejenigen Stoffeigenschaften zu finden, die Sie benötigen, um weiterarbeiten zu können.
Andere Möglichkeit: Suchen Sie nach dem Namen, den Sie erhalten haben. Leider liefern allgemeine Suchmaschinen im Internet bei dieser Art von Frage viele nicht relevante Ergebnisse. Google.de, ask.com (vormals Teoma) und AllTheWeb.com zurzeit wohl die besten Suchmaschinen für diese Art von Anfragen liefern ein relevantes Ergebnis für „alkron“ erst auf der zweiten oder dritten Seite. Eine Anfrage nach „parathion“ oder „e605“ hingegen ist sofort erfolgreich. Handelt es sich um die Bezeichnung eines Stoffes, der nicht mehr im Handel oder nicht weit verbreitet ist (Beispiel KC-9147), bekommen Sie unter Umständen gar kein Ergebnis.
Handelt es sich um den Namen einer bekannteren Substanz etwa Paraldehyd müssen Sie durch viele nicht relevante Seiten hindurchblättern, ehe Sie Seiten finden, deren Inhalte Ihnen weiterhelfen.
Ein direkteres Vorgehen ist es, den Namen mit der Suchfunktion auf der Webseite eines der großen Chemikalienhersteller einzugeben. Das funktioniert immer dann, wenn der Name eine Substanzbezeichnung ist (vorausgesetzt, der Hersteller hat sie in seinem Produktportfolio), nicht aber bei Markennamen. Beispiele sind die Webseiten von Merck, Acros oder Sigma-Aldrich. Aktivieren Sie auf jeden Fall die Option Auch nach Synonymen suchen, falls vorhanden.
Die Vorteile: Werden Sie dort fündig und identifizieren die Substanz, dann erhalten Sie meistens auch ein Sicherheitsdatenblatt und eine Spezifikation, der sich einige physikalische Daten mehr oder weniger genauentnehmen lassen. Der Nachteil: Bei einigen dieser Seiten müssen Sie sich zunächst registrieren, um die Funktion nutzen zu können.
Datenbanken
Geben Sie den Namen, den Sie haben, in das Suchfeld einer der Datenbanken für Sicherheitsdatenblätter ein. Beispiele sind das Informationssystem der gewerblichen Berufsgenossenschaften BiaGESTIS, die Seite gefahrstoffdaten.de und viele andere mehr. Da Sicherheitsdatenblätter Synonyme aufführen, ist die Chance groß, auf diese Weise fündig zu werden.
Es gibt eine Reihe von kostenlosen Webdatenbanken, manche von Behörden, manche von Chemikalienanbietern geführt. Beispiele sind NIST Chemistry Webbook oder ChemFinder, welche als Ergebnis einen Satz von Stoffdaten, eindeutigen Bezeichnungen oder Formeln ausgeben.
Eine Anmerkung zur Sprache
Wie Sie den Namen schon entnehmen können, ist die Sprache der Datenbanken fast durchweg Englisch. Da Deutsch als Sprache im Web nicht sonderlich verbreitet ist (gemessen am Gesamtbestand der Seiten), ist es fast unumgänglich, sich auf Englisch als Suchsprache einzurichten.
Nachschlagewerke
Benutzen Sie ein gedrucktes Nachschlagewerk. Zwar hat nicht jeder hat ein Exemplar von Römmp´s Lexikon der Chemie zur Verfügung, es gibt aber auch gute einbändige und erschwingliche Bücher: Beliebt ist z. B. der Index Merck, der vor allem durch seine verschiedenen Register sehr nützlich ist.
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