Entgegen einer weitverbreiteten Meinung werden Siloxane nicht nur in Kosmetikprodukten angewendet, sondern auch in „ernsthaften“ Anwendungen, zum Beispiel
- zum Hydrophobieren von Baustoffen wie Beton (wer sich dafür interessiert, findet Quellen genug in der Publikationsliste des Fraunhofer-Informationszentrums Raum und Bau IRB)
- in der Textilindustrie zum Reinigen und Ausrüsten von Fasern
- in der Lebensmittelindustrie (z. B. zur Entschäuming bei der Kelter).
Über Abwasser und die Kläranlage ins Faulgas gelangen Siloxane jedoch hauptsächlich durch Pflegemittel für Haut und Haare. Was ist so problematisch an den Siloxanen, und wie kann man sie aus Gasströmen beseitigen?
Was sind Siloxane?
Siloxane sind lineare oder ringförmige Verbindungen der allgemeinen Formel -[SiOR1R2]- . R1 und R2 sind Wasserstoffatome oder organische Gruppen, in den meisten Fällen einfache Alkylgruppen, wie z. B. Methyl. Bei höheren Kettenlängen spricht man von Silikonen. Bei den niedrigeren Kettenlängen sind Si-Zahlen von 5 – 12 besonders typisch. Wegen ihrer unhandlichen, langen Namen werden häufig vorkommende Methyl-Siloxane mit Abkürzungen bezeichnet, D für ringförmige und L für lineare Siloxane (siehe unten die Strukturformel von D6).
Die Flüchtigkeit der Siloxane hängt von ihrem Molekulargewicht ab, ihre Wasserlöslichkeit ist äußerst gering. (Allerdings kann die Mischung Siliziumorganischer Verbindungen bis zu 50% Silanole enthalten, die ein gewisses Maß an Wasserlöslichkeit besitzen [8].) Siloxane sind chemisch ziemlich inert und können nur von starken Säuren oder Basen angegriffen werden.
Das Bild zeigt ein Dimethyl(oligo)siloxan („Dimethicone“) in einer zufälligen Konformation. Das Molekül ist nicht starr, sondern beweglich. Auf der rechten Seite ist zu sehen, dass sich eine hydrophile Seite (das ist die mit den rot markierten Sauerstoffbrücken) und eine hydrophobe Seite (die von den Methylgrupen gebildet wird) geformt haben.
Dadurch, dass sich die polare, hydrophile Seite an den zu schützenden Stoff anlagert (Haare, Beton, Holz o. a.) und die apolare, hydrophobe Seite nach außen weist, wirkt die aufgetragene Siloxanschicht wasserabweisend.
Der Weg der Siloxane
Die Siloxane gelangen meist in Form einer Emulsion ins kommunale Abwasser, etwa aus Haarshampoos. Sie adsorbieren jedoch an die Feststoffe (im Klartext: an die Fäkalien) im Abwasser und kommen so mit dem frischen Schlamm in den Faulraum. Zum Teil werden sie mikrobiell abgebaut [1, 2], wodurch sich der Anteil niedermolekularer Bestandteile noch erhöht. Die niedermolekularen Siloxane, u. a. D3 – D6, sind flüchtig und gelangen ins Faulgas.
Mit Siloxanen einstmals behandelte Materialien geben nach gleichem Mechanismus ihre flüchtigen Siloxane ins Deponie-Faulgas ab.
Typische Siloxankonzentrationen für Faulgase aus Kläranlagen liegen bei 50 – 250 mg/m³ [3], für Deponiegase etwas weniger, bis ca. 140 mg/m³ [4] ([4] enthält auch die wichtigsten physikalischen Daten für eine Reihe von Siloxanen, und die Publikationsliste der Autoren bietet weitere Artikel zum Thema Deponiegas an, alle zum freien Download).
Beim Biogas scheinen Siloxane keine Rolle zu spielen, oder sie kommen nur unterhalb der Nachweisgrenzen vor [5].
Das Bild zeigt die Strukturformel von D6, eines typischen Vertreters der Substanzklasse.
Durch Siloxane verursachte Schäden
Siloxane sind brennbar und verbrennen zu Kohlendioxid, Wasser und SiO2. Die bei der Verbrennung entstehenden Quarzpartikelchen sind nicht nur sehr abrasiv, sondern auch sehr fein. Sie bilden auf Teilen, auf denen sie sich ablagern, dichte Schichten aus, die sich schwer entfernen lassen, dafür aber abplatzen können (besonders „erfreulich“ am Zylinderkopf von Motoren). Die Standzeit eines Gasmotors kann sich auf 25% der normalen Zeit verringern. [6]
In dieser staatlichen Publikation können Sie auf den hinteren Seiten einige Bilder mit zugesetzten Wärmetauschern, Mikroturbinen und Katalysatoren sehen.
Beseitigungsmethoden
Die hauptsächlich erforschten und angewandten Aufbereitungsmethoden umfassen
- Kondensation bei unterschiedlichen Temperaturen
- Wäsche
- Aktivkohle
- Silicagel und andere experimentelle Verfahren
Welche Methode aus ökonomischer Sicht geeignet ist, hängt davon ab, welche weiteren Bestandteile aus dem Gas gefiltert werden müssen (etwa Schwefelverbindungen), und von den Anforderungen an die Aufreinigung.
Über die Kondensation braucht nicht viel gesagt zu werden, die o. g. Quelle mit den Bildern und [4] enthalten Dampfdrücke und Siedepunkte. Realisierte Anlagen erreichen Abscheidegrade von etwa 50% bei einer Kondensationstemperatur von ca. 4 °C. Zwar kam man in einer Versuchsanlage mit Kondensationstemperaturen von – 30 °C auch auf Abscheidegrade von > 95%, der Energieaufwand dafür ist jedoch beträchtlich.
Die Wäsche kann natürlich keine wässrige Wäsche sein. Es wird ein spezielles Polyethylenoxid dazu verwendet, etwa Genosorb. Einzelne Anlagen dazu sind in den USA realisiert worden. Der Abscheidegrad ist gut (> 95%), die Investitionskosten jedoch sehr hoch. Andere Waschflüssigkeiten, wie heiße, konzentrierte Schwefelsäure (wirksam, aber korrosiv) und Paraffinöle (wenig wirksam), sind ebenfalls getestet worden.
Die am häufigsten verwendete Aufbereitungsmethode ist die Adsorption an Aktivkohle, oder besser an Graphit. Die Technik wirkt zunächst sehr einfach und hat geringere Investitions- und Energiekosten als die beiden vorher genannten Methoden, jedoch wird die Aktivkohle nicht regeneriert. Sie muss also entsorgt und ersetzt werden. Unter den Bedingungen der Faulgasaufbereitung erreichen verschiedene Sorten von Aktivkohle Beladungen von maximal 1,5% [4, 6].
Ein großes Problem bei der Verwendung von Aktivkohle ist die Feuchtigkeit, die vor der Adsorption oft teilweise kondensiert werden muss, da relative Feuchten von über 70% (bei verschiedenen Kohlen wechselnd) die Adsorptionskapazität dramatisch erniedrigen können. Die genannte Adsorptionskapazität von 1,5% bezieht sich auf Deponiegas mit einem Taupunkt von ca. 4 °C. Auch die Zusammensetzung der Siloxane und die Anwesenheit anderer Verunreinigungen haben einen Einfluss auf die Adsorptionskapazität.
Aktiviertes Aluminiumoxid ist ein sehr wirksames Adsorbens für Siloxane und kann im Temperatur- und/oder Druckwechselverfahren regeneriert werden [7].
Unter den experimentellen Verfahren scheint die Adsorption an Silicagel eines der aussichtsreichsten Verfahren zu sein. Besonders niedermolekulare Siloxane wie L2 adsorbieren bis zu zehn mal besser an Silicagel als an Aktivkohle. Allerdings ist die Luftfeuchte hierbei stark störend. Ein Patent der Fraunhofer-Gesellschaft beschreibt die Adsorption an hydrophobisiertes Silicagel, ein Material, das ursprünglich für die Chromatographie entwickelt wurde [8].
Literatur
[1] „Degradation of polydimethylsiloxane fluids in the environment – a review.“ Griessbach EF, Lehmann RG., Chemosphere 38(6), 1461-8 (1999) (Abstract)
[2] „Microbial degradation of octamethylcyclotetrasiloxane.“ Grümping R, Michalke K, Hirner AV, Hensel R., Appl Environ Microbiol. 65(5), 2276-8 (1999) (Abstract)
[3] „Labornachricht Nr. 19: Siloxane im Faulgas“. U. Bretscher in einer Firmenschrift der Kuster+Hager Ingenieurbüro AG, 2006 (Download)
[4] „Siloxanes in Landfill and Digester Gas Update“. E. Wheless, J. Pierce in einer Publikation der SCS Engineers, 2006 (Download)
[5] „Biogasanlagen – Anforderungen zur Luftreinhaltung“, Bericht von der Fachtagung am 17. Oktober 2002, Augsburg, ISBN 3-936385-13-0 (Download)
[6] „Biofuel for Fuel Cells“, Piet Lens et al. (Hrsg), IWA Publishing, 2005 (Ansicht bei Google Books)
[7] Higgins et al., USP7306652, 2007 (Volltext)
[8] W. Urban, Ch. Unger, DE102004051807B4, 2008 (Volltext)
Nachtrag vom 24. Nov. 2009: Wegen aktueller Nachfrage folgen Literaturstellen mit (leider nicht sehr üppigen) Informationen über die organische Wäsche:
~ V. K. Seeta, E. J. Whitman et al., „Challenges of Fuel Gas Purification for Cogeneration Under Stringent Regulatory Requirements“, WEFTEC 2006
~ D. Rossol, K. G. Schmelz, „Siloxane im Faulgas“, Wasser Abwasser 1/2005, S. 57 – 64
~ M. Arnold, „Reduction and monitoring of biogas trace compounds“, VTT Research Notes 2496 (herunterzuladen unter http://www.vtt.fi/inf/pdf/tiedotteet/2009/T2496.pdf)
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