Haben Sie sich schon mal Fachliteratur bestellt, etwa von Verlagsseiten? Haben Sie sich dabei über die hohen Preise für die Artikel (30 – 40 EUR) geärgert und darüber, dass der Autor den Artikel schon vor fast einem Jahr eingereicht hatte, ehe er endlich online verfügbar war? Open Access Publishing – die Veröffentlichung von Fachartikeln (fast) ohne Kosten und Zeitverzögerung, zugänglich für alle, sei es als Autor oder Leser – scheint da zunächst die Ideallösung zu sein. Warum hat es sich bislang nicht so recht durchsetzen können? Wo gibt es Open Access-Journale, was taugen die Inhalte und wie können Sie sie finden?
1. Was ist Open Access Publishing, und welche Arten von Publikationen gibt es?
2. Wie findet man freie Fachartikel?
3. Die Qualitätskontrolle
1. Über Open Access Publishing
Während die Budgets der Forschungseinrichtungen und Bibliotheken immer kleiner werden, sind die Preise für wissenschaftliche Publikationen in den letzten Jahren (aus verschiedenen Gründen) ziemlich heftig angestiegen. Wissenschaftliche Informationen wurden zum bedeutenden Kostenfaktor und manchmal gar, aus Geldnot, zur Mangelware – ein nicht haltbarer Zustand vor allem für die universitäre Forschung.
Unter dem Etikett „Open Access“ (offener Zugang) wurden verschiedene Modelle diskutiert, die die Kosten für wissenschaftliche Publikationen verlagern sollten, weg vom Leser der Publikation hin zu – ja, zu wem
eigentlich? Zum Autor – damit derjenige publizieren kann, der die nötigen n * 1.000,- EUR Publikationsgebühren aufbringen kann, und nicht derjenige, der die beste Arbeit verfasst hat? Oder zu niemandem – wobei dann jeder seine Machwerke, wie immer sie auch ausgefallen sind, auf einen Server hochspielen kann, ohne dass jemand da ist, der sie überprüft, formatiert und bibliografisch erfasst?
Nach einer Schätzung betragen die Kosten für einen einzigen Fachartikel von der Einreichung bis zur Publikation je nach Verlag und Zeitschrift von 500,- bis 10.000,- US$. Das Manuskript wird in dem Prozess korrigiert, formatiert und letztendlich veröffentlicht. Vorher jedoch wird es – und das ist das Wichtigste – einem Kreis von Wissenschaftlern in anonymisierter Form zur Prüfung vorgelegt (das ist der sogenannte Peer-Review-Prozess). Diese beanstanden den Artikel, wenn er formale oder inhaltliche Mängel aufweist.
Aus alledem geht hervor: Ein „echtes“ Open Access-Publikationswesen, kostenlos für alle und dennoch von der Qualität der herkömmlichen wissenschaftlichen Verlagsprodukte, kann es nicht geben. Die wenigen, die es dennoch durchführen, müssen irgendwo Abstriche machen, sei es bei der Bezahlung der Mitarbeiter oder indem einzelne Schritte des Prozesses weggelassen werden.
Für den Leser bedeutet das, bei einer Open-Access-Publikation einen Blick unter die Haube zu werfen und zu prüfen, wie, durch wen und warum diese Publikation zustande gekommen ist, ehe er sich auf die Inhalte verlässt.
Wer sich detaillierter über Open Access-Publishing informieren möchte, kann unter den folgenden Links verschiedene Meinungen nachlesen.
WISSENSCHAFTLICHE PUBLIKATIONEN AUS BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHER SICHT
Der größte Teil der Gelder, die im herkömmlichen Publikationsprozess fließen, sind öffentliche Mittel, der Autor hingegen behält nicht einmal die Rechte an seinem Werk. Das sei unfair und schmecke nach einer massiven Subvention der Verlage, behauptete Dr. Raphael Ball auf einem Kolloquium des Forschungszentrums Jülich, 2003. Als Alternative stellt er verschiedene Open Access-Modelle vor.
GESELLSCHAFT DEUTSCHER CHEMIKER
Positionspapier der GDCh, 2004, eher verhalten kritisch.
WER LIEST DAS, UND WIRD DAS MITGEZÄHLT?
Handbuch der UNESCO zum Thema. Besonders interessant ab S. 66 „Akzeptanz und Verbreitung entgeltfrei zugänglicher Publikationen“. Demnach ist Open Access- Publishing am ehesten bei den Life Sciences und den Sozialwissenschaften etabliert. Material- und Technikwissenschaften machen magere 9% des Publikationsvolumens aus, und das Schlusslicht bilden die Wirtschaftswissenschaften mit 3% (vielleicht, weil dabei kein Geld fließt?)
ÜBER WIE VIELE REDEN WIR EIGENTLICH?
Die Statistikseite ROAR ist ein Metaportal – ein Portal zu anderen Open Access-Portalen. Interessant sind die Statistiken neben jedem Link: Seit 2005/2006 tut sich was auf dem Gebiet der freien Publikationen! Man kann zwar nicht nach Inhalten suchen, aber die Portale-Datenbank nach Regionen, Aktivität und anderen Kriterien filtern.
CONCEPT MAP
Ergänzung vom 8. März 2010: Laura Briggs hat ein „Concept Map“ zum Thema Open Access Publishing zusammengestellt, welches die grundlegenden Ideen gut zusammenfasst. („Concept Map“ könnte man vielleicht mit „Ideennetz“ oder „Faktennetz“ übersetzen.)
2. Wie findet man freie Fachartikel?
Manchmal findet man einzelne Artikel durch die Suchmaschine, aber der beste Weg führt über die Verzeichnisse, also Webkataloge für Open Access-Publikationen. Durch die Vereinzelung der Server und Plattformen (die auf der o. g. ROAR-Seite gut zu erkennen ist) ist eine übergreifende Suche durch alle freien Publikationen zur Zeit noch nicht möglich.
DIRECTORY OF OPEN ACCESS JOURNALS
Diese Verzeichnis akzeptiert alle Publikationen, ob aus staatlich geförderter Wissenschaft, Non-Profit-Organisationen oder kommerzieller Natur. Auch alle Sprachen sind zugelassen, Englisch und Spanisch dominieren. Hier eine Liste der Zeitschriften in Chemischer Verfahrenstechnik. Im Volltext durchsuchbare zeitschriften sind hervorgehoben.
SCIENTIFIC COMMONS – WISSENSCHAFTLICHES GEMEINGUT
Hier ist endlich der Versuch einer Metasuchmaschine realisiert worden. Die Metadatenbank ist nach Inhalten durchsuchbar, die Publikationen aus allen Fachgebieten und in allen Sprachen sind auf Englisch verschlagwortet.
ABC CHEMISTRY RY
Sammlung von freien Volltext-Zeitschriften auf dem Gebiet der Chemie, gesammelt von einem Dozenten der Universität in Minsk. Der Schwerpunkt liegt auf russischen Publikationen (und wohl solchen aus dem Gebiet der ehemaligen SU), die Sprachen sind Englisch und Russisch.
3. Die Qualitätskontrolle
In dem oben schon erwähnten Handbuch der UNESCO gibt es ein Kapitel darüber, wie die Qualität der Publikationen beim Publizieren sichergestellt werden kann (ibid., ab S. 50). Hier geht es um etwas anderes: Kann ich als Leser einer Veröffentlichung eine Aussage über deren Qualität machen?
Ein negatives Beispiel ist sicherlich Bentham Open: Dieses Portal hat im vergangenen Jahr knapp 200 neue Open Access-Journale lanciert – auf dem Gebiet der Chemie alleine 17 – von denen jedes bisher nur eine kleine Handvoll Artikel enthält. Es scheint geplant, sich über Werbung zu finanzieren. Wer dahintersteht, wird nicht bekanntgegeben, auch nicht, wie man Artikel einreichen kann. Definitiv ein Beispiel für einen unseriösen Herausgeber!
SUCHEN IN DER BLOGOSPHÄRE
Blogs sprießen wie Pilze aus dem Boden (wie man sieht), es gibt sie mittlerweile zu jedem Thema, auch zu diesem. Um Kommentare auch ohne spezielle Dienste in Blogs ausfindig zu machen, genügt eine einfache Suchanfrage, an Google z. b. in der Form [„bentham open“ blog -inurl:bentham] (der dritte Parameter schließt Seiten von Bentham über sich selbst aus). Und voilá: Die ganze Geschichte, Getratsch und Gezänk um Bentham tritt zutage. Beispiele: Die Geschichte des Open-Access-Projektes von Bentham Publishing, und ein Blogeintrag aus „Archivalia„.
Besonders kritisch: Die Forscher haben anscheinend zwischen 600 und 900 US$ für die Publikation ihrer Arbeiten bezahlt. – Ein Blog ist zwar per se auch kein besonders glaubwürdiges Format, aber in diesem Fall gibt es mehrere gleichlautende Aussagen, die sich gegenseitig bestätigen.
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